Begegnungen

mit Sr. Paula in der Anekdote

Wer Tisa von der Schulenburg (Sr. Paula OSU) persönlich gekannt hat, dem blieb nicht verborgen, an welch reichhaltigem Schatz von Lebensweisheiten sie andere teilhaben ließ. Aber auch Anekdoten ranken sich um ihr Leben wie Efeu um einen Baum.

Karneval im Kloster

Ich möchte sie sammeln und aufschreiben, welche Erlebnisse die Leute mit Sr. Paula hatten.
Haben auch Sie eine Geschichte?

Dann schreiben Sie sie auf und schicken Sie sie mir zu oder rufen Sie mich an! Denn zu schnell gehen Erinnerungen verloren!

Zurück in den Schoß der Familie

Mitte der 60-Jahre im Kloster

Die Parlamentarische Gesellschaft des Deutschen Bundestages richtete ihr 1982 im Sitz der Gesellschaft in Bonn eine Ausstellung mit Zeichnungen aus. Das Haus war eine noble Villa mit Begegnungs- und Clubräumen, eine sehr gediegene, ja luxuriöse Ausstattung mit Biedermeier-Möbel, Orientteppichen, Seidentapeten und ähnlichem. Zur Ausstellung eingeladen war ein erlesenes Publikum, das die Empfangsdame, eine Baronin von Sowieso, begrüßte. Unter den Ausstellungsbesuchern befanden sich ein schon gesetzterer Herr, dessen Gesichtszüge denen von S. Paula zum verwechseln glichen, der in gleicher aufrechten und dennoch leicht gekrümmten preußischen Haltung von Bild zu Bild ging und sie aus der Nähe betrachtete. Er war erkennbar in Begleitung einiger jüngerer Damen, die ebenso preußisch wie Paula-ähnlich aussahen und der Beobachter mochte nun auf Töchter oder Nichten schließen, was S. Paula später bestätigte. Der Herr war kein geringerer als der lebende älteste Sohn des ältesten Bruders von S. Paula und somit der Chef der Tressow’schen Familie von der Schulenburg.

Ehrenbürgerin 1972

Die Begegnung der Verwandten mit S. Paula war bei dieser Gelegenheit seltsam zurückhaltend, um nicht zu sagen unterkühlt. Noch am selben Tag schilderte mir S. Paula in einer bei ihr nicht oft vorkommenden Aufgeregtheit, dass sie heute den ersten Kontakt zu diesem Teil der Familie ihres ältesten Bruders gehabt habe. Heute seien diese Verwandten erstmals ihrer Einladung gefolgt. Seit 1944 sei dies der erste Kontakt. Sie erläuterte mir auch den Hintergrund und ich will versuchen, ihn mit S. Paulas Worten zu schildern: Ihre vier Brüder und deren Familien waren 1933 überzeugte Nationalsozialisten. Auch ihr Bruder Fritz-Dietlof, den sie Fritzi nannte. Allein er wandte sich im Laufe der Jahre nicht nur vom Nationalsozialismus ab, sondern schloss sich der Verschwörung gegen Hitler an und war aktiv und führend am Umsturzversuch von 20. Juli 1944 beteiligt.

Bergarbeiter-Demonstration mit NRW-Ministerpräsident Rau und Stadtdirektor Dr. Zahn, 90-er Jahre

Er wurde 1944 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Da S. Paula zu dieser Zeit eng mit ihrem Bruder und dessen Familie zusammenstand, wurde Fritzis Familie wegen der „Schande“, die er über die ganze große Sippe Schulenburg gebracht hatte, aus dem Familienverband der Schulenburgs ausgeschlossen. S. Paula, die die Ehefrau ihres hingerichteten Bruders in ihrem Schloss Klein-Trebbow beherbergt hatte, und die solidarisch zur Familie ihres Bruders hielt, wurde gleich mit ausgeschlossen.
Dieser Ausschluss dauerte über das Ende der nationalsozialistischen Zeit hinweg, eben bis 1985, als der Familienbeschluss von 1944 aufgehoben worden war und Familienbegegnungen - ihre Brüder, die den Beschluss bewirkten, waren bereits tot. Soweit S. Paula über den bis dahin schwierigen Kontakt zur Familie.

Seidentapeten waren ihr egal

Ausstellungseröffnung in Straßburg 1990

Die Ausstellung hatte noch ein kleines charmantes Nachspiel anderer Art: Über die Ausstellung schrieb ich eine Rezension. Angesichts des Ausstellungsortes fing ich den Artikel etwa so an: Das Beste vom Besten für S. Paula: Edle Perserteppiche auf dem Parkettboden, matt lackiertes Biedermeier und kostbare Seidentapeten an der Wand, dazwischen die Rohrfederzeichnungen von S. Paula und sie selbst, in diesem Ambiente ganz Gräfin …

Säule im Garten des jüdischen Museums 1992

Am frühen Morgen des Tages, an dem die Zeitung erschienen war, kam S. Paula in die Redaktion. Schon um acht Uhr saß sie in der Geschäftsstelle und wartete auf mich, denn die Redaktion war erst ab 10 Uhr besetzt. Als ich dann kam, saß sie immer noch auf dem Stuhl gleich hinter der Eingangstür und klopfte wie ein preußischer Dragoner ungeduldig mit ihrem Gehstock auf den Boden, denn sie hatte damals ein Gehleiden. „Also, Herr Stegemann“, empfing sie mich, „ich will nichts Feines, die Seidentapeten und Perserteppiche sind mir völlig egal, ich wollte das nicht, das ist von denen …“
Nach anfänglicher Aufgeregtheit war sie auch schnell wieder versöhnt und wir tranken gemeinsam Kaffee oder etwas anderes.

Schildkrötensuppe

Besuch des spanischen Zeichners Juliá Mateu 1993

Als Sr. Paula in den 80-er Jahren erkrankte und im Krankenhaus lag, da führte sie ihr Weg nach der Entlassung direkt in die Eisdiele von Antonio Filippin am Markt. In der Hand hielt sie eine Plastiktüte und tat damit recht verschämt. Sie beugte sich über den Tresen zu Antonio Filippin und flüsterte ihm zu: „Kannst Du mir die Suppe warm machen? Ich brauch sie zur Stärkung“
Es war eine Dose Schildkrötensuppe. Dann erklärte sie ihm noch: „Heute ist Donnerstag, da gibt’s im Kloster Graupensuppe, die mag ich nicht!“

Mit oder ohne Namen

Mit mir und Sr. J. Eichmann im Atelier

Bei einem Besuch in ihrem Atelier sprachen wir über ihren Werdegang als Künstlerin und Nonne. Anlass war ein Interview für die Ruhr Nachrichten anlässlich ihres anstehenden 85. Geburtstags. Nachdem so alles gesagt und aufgeschrieben war, fragte ich sie beiläufig, ohne Arg und Hintergedanken, ob sie denn ohne ihren berühmten Familiennamen und die Zeit, in die sie hineingeboren wurde, als Künstlerin ebenso ihren Weg in die Öffentlichkeit gemacht hätte!
Da fauchte sie mich an und ihre Augen funkelten: „Ja was glauben Sie denn, ich leg’ doch gar keinen Wert auf Namen. Ich habe Kunst studiert und ohne meinen Namen und ohne Kloster hätte ich noch weit mehr Gelegenheiten gehabt, die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen!“
Ich stutzte, sie stutzte, dann schmunzelte sie und sagte: „Sie wollen auch alles wissen! Das hat mich noch nie jemand gefragt!“

Orden ja oder nein

Bundesministerin A. Merkel überreicht das Bundesverdienstkreuz 1994

1990 wurde Sr. Paula das Bundesverdienstkreuz verliehen. Zur Überreichung kam die damalige Umweltministerin im Kabinett Kohl, Angela Merkel, nach Dorsten in die Lohnhalle der Zeche Fürst Leopold. Diesen Orden sollte sie schon einige Jahre vorher bekommen, als die Ordenskanzlei des Bundespräsidialamtes anrief und sie fragte, ob sie denn den Orden annehmen würde. Spontan und bestimmt sagte sie in den Hörer: „Nein!“ und legte auf. Sie drehte sich um und meinte: „Oder hätte ich doch?“ – Jahre später nahm sie das Bundesverdienstkreuz an.