Themen:
Spürst Du mein heimliches Sehnen?
Wie sich vor 50 Jahren ein 13-Jähriger das erste Mal verliebte
und vor dem Mädchen, dem seine Gefühle galten, stets Reißaus nahm!Eine wahre Geschichte!
Vorbemerkung
Dies ist die Geschichte eines Jungen, der sich im zarten Alter von 13 Jahren Hals über Kopf in ein Mädchen so verliebt hatte, dass dies ihm nicht nur den Schlaf raubte, sondern sein damals gesamtes filigranes Selbstvertrauen kostete. Jene unschuldige Liebe zu einem schönen Mädchen trieb ihn in Tagträumen um und auf seinem Fahrrad dorthin, wo seine Angebetete wohnte, wo sie zu reiten pflegte und überhaupt, wo sie sich aufhielt.
Es war eine einseitige Liebe, eine Liebe eben, mit der der junge Mann nicht wusste, wie er mit diesem aufkeimenden Gefühl umzugehen hatte, geschweige denn mit seiner Angebeteten. Daher war und blieb jene Liebe in den Sommertagen des Jahres 1957 unerfüllt. Kaum zu glauben, dass das Mädchen ihn und seine Gefühle überhaupt wahrnahm. Sie hatte ihn sicherlich nicht wahrgenommen. Irgendwann sollte er sie fragen. Doch davon später.
Diese Geschichte hat drei Kapitel. Das erste Kapitel dürfte der normale Ablauf eines Geschehens sein, wie ihn viele junge Menschen erleben. Das zweite Kapitel hat schon etwas von einer spannungsvollen Eigenheit und das dritte Kapitel, das Zurückholen der Erinnerung nach über 50 Jahren mag man unter der Überschrift Lebenslinien und deren Berührungen vielleicht auch ein wenig staunend, schmunzelnd oder kopfschüttelnd betrachten.
Es ist nicht leicht, diese Geschichte zu erzählen. In welcher Reihenfolge sollen die drei Kapitel dargestellt werden? Soll das dritte Kapitel, die Pointe, zuerst aufgelöst werden, um dann die Geschichte nach hinten aufzurollen? Das wäre eine in der Literatur durchaus gängige Methode. Denn das zweite Kapitel folgt dem ersten in einem zeitlichen Abstand von 50 Jahren und das dritte Kapitel, die Pointe, in kürzerem Rahmen rein zufällig ein Vierteljahr später. Doch wir erzählen anders. Wir erzählen in chronologischer Folge so, wie der junge Mann mit seinen 13 Jahren und spätern 63 Jahren sie erlebt hat.
1. Kapitel – 1957
Die mittelfränkische Kleinstadt mit ihren Mauern und Türmen hatte damals ein Gymnasium und zwei Volksschulen. Eine für Mädchen und eine für Jungs. Zuerst eine strenge und später auflockernde Trennung von Jungen und Mädchen war für das bayerische Nachkriegsschulwesen unabdingbar.
Der Schulweg unseres 13-jährigen Protagonisten führte täglich am Mädchen-Schulhaus vorbei, wo ihm auf dem Weg zwischen Hecken links und der Wiese vor der Stadtmauer rechts Mädchen jeden Alters entgegen kamen, die geflissentlich und lerneifrig ihrer Schule zuströmten.
Darunter auch jenes Mädchen, dessen Name er irgendwie herausfand, von dem eingangs gesprochen wurde. Sie war schön und schlank, wie Mädchen mit 13 Jahren damals waren, wo es Fastfood noch nicht gegeben hat, und das Essen noch nicht so fett und so vielfältig war wie heute. Er glaubt, sie hatte kurzes braunes Haar, kann sich heute aber nicht mehr darauf festlegen. Sie fiel ihm auf, und er verliebte sich in sie. Er verliebte sich so heftig, dass er außer dem Mädchen nicht anderes mehr im Kopf hatte, der Magen sang in höchsten Tönen, wenn er an sie dachte und wenn er sie sah, schoss ihm das Blut derart in den Kopf, dass er sich deswegen schämte.
Warum sie ihm auffiel, kann er heute nicht mehr sagen, damals hatte er sicherlich tausend Gründe. So ist das mit der Liebe. Eigentlich weiß man nicht, warum man jemanden liebt. Er weiß nur, dass er, wenn er sie sah, ihr auf dem Schulweg begegnete, einen feuerroten Kopf bekam und versuchte, um sie einen weiten Bogen über die Wiese am Weg vor der Stadtmauer zu machen, damit sie nicht sehen konnte, wie sehr er litt. Doch das hielt ihn offensichtlich nicht davon ab, sie so oft wie möglich zu sehen und zeitig so von zu Hause wegzugehen, dass er ihr begegnen musste. Und dann immer das gleiche: Er ging mit rotem Kopf stiften, wenn er sie schon von weitem sah. Und wenn er nicht rechtzeitig die Kurve kriegte und an ihr vorbei musste, litt der Schüler - seine Pubertät gerade hinter sich gelassen - darunter, dass er so schrecklich rot wurde, und nichts dagegen machen konnte. Wenn er sich vornahm, diesmal nicht rot zu werden, dann verfärbte er sich erst recht und schämte sich dafür.
Zumindest einmal, so erinnert er sich, fuhr er mit seinem grünen Rad zur Erlbacher Straße hinaus bis in die Nähe des Schlachthofs, wo sie wohnte. Und auch hier immer das Gleiche: Kaum sah er sie, wie einmal vor dem Haus ihrer Eltern mit einer Freundin, da lenkte er eine große Kurve und strampelte wieder weg. Was für ein komischer Kerl er doch war!
Er fand auch schnell heraus, dass seine Angebetete ein Pferd hatte und im Reiterverein war. Da er ähnliches tat, nur sehr selten, wollte er unbedingt auch mal hoch zu Ross in der Nähe von ihr auftauchen. Das Pferd seines Freundes, ein Brauner, war im Stall an der alten Brauerei am Klingentor untergestellt. So weit er sich erinnern kann, ritt sie in einer Scheune, die zwischen Kummereck und Schrannenplatz am rückwärtigen Ausgang der damaligen Kohlenhandlung Keitel stand. Ob hier ein Zusammentreffen stattgefunden hatte, weiß er heute nicht mehr, obgleich er in der Scheune ritt. Anzunehmen ist, hätte er sie dort gesehen, wäre er sicherlich im Galopp weg geritten. Das hätte gepasst, wie wir gesehen haben!
Er war so verknallt in dieses schöne Mädchen, dass er aus dem Quelle-Katalog seiner Mutter solche Models herausschnitt, die diesem Mädchen ähnlich sahen. Er klebte sie in ein Heft, das er vor den allgegenwärtigen Blicken seiner Mutter gut zu verstecken wusste. Sie mag verzeihen, dieses kleine Geheimnis ausgeplaudert zu haben.
Wann diese große erste Liebe dieses 13-Jährigen wieder verging, weiß er heute nicht mehr. Bis vor wenigen Tagen hatte er sogar die gesamte hier erzählte Geschichte, die ihn damals so umtrieb, ihn so unschuldig lustvoll erregte und gleichzeitig peinigte, völlig vergessen. Das schöne Mädchen und sein Name gerieten in Vergessenheit. Doch mit der Vergessenheit ist das so eine Geschichte. Wir vergessen nichts, wir verschieben Geschichten und Personen ins Unterbewusste, wo sie ständig da sind und darauf warten, durch irgendeinen Umstand ins Bewusstsein zurückzukehren. Doch davon mehr im 3.Kapitel.
2. Kapitel – Juni 2008
Aus dem 13-jährigen schüchternen Jungen wurde im Lauf der Jahre ein gestandener Mann, der wohl nicht mehr rot wurde, wenn er auf eine Frau traf, die ihm gefiel. Seine Schüchternheit gegenüber dem schöneren Geschlecht hat er allerdings nie ganz abgelegt. Das sei nur am Rande vermerkt!
Nürnberg, München, Griechenland, die Türkei, dann wieder München, Salzburg, Bad Reichenhall, Gelsenkirchen und Dorsten waren seine beruflichen Stationen. Seine Heimatstadt besuchte er anfangs kaum oder gar nicht, später öfter und heute regelmäßig. Und so kommen wir nach fünf Jahrzehnten des Wegseins zum Jahr 2008.
50 Jahre später, mittlerweile versöhnt mit seiner Heimatstadt, hielt er sich wieder in ihr auf, um im Kreise seiner Schulfreunde und Altergenossen „Goldene Konfirmation“ zu feiern. Er wäre nicht gefahren, wenn Ingrid, eine Gespielin (sagt man das so?) aus Kindertagen, ihn nicht dazu animiert hätte. Und diese traf dort zwei Klassenkameradinnen, Sieglinde aus München und Brigitte aus Berlin, mit denen und mit Ingrid er zwei sehr schöne Abende verbringen durfte. Eingestandenermaßen fühlte er sich sehr zu den Frauen hingezogen, was er spürte, aber nicht wusste, ob dies gut war oder nicht. Und er wünschte sich und hoffte, dass diese Runde nicht das letzte Mal zusammengetroffen war. Daher freute es ihn, dass ein weiteres Treffen vereinbart wurde.
3. Kapitel – September 2008
Während eines Telefongesprächs mit Brigitte aus Berlin - etwa drei Monate später - wollte er wissen, welche Geburtsnamen hinter ihr und Sieglinde stünden. Er fragte dies eigentlich ohne besonderen Grund, mehr aus Neugier, es war für ihn nicht wichtig. Als er den Geburtsnamen von Sieglinde in Zusammenhang mit ihrem Vornamen hörte, war es ihm, als würde jemand in seinem Kopf einen Hebel umschalten. Das längst Verschüttete und ins Unterbewusstsein Verdrängte kam mit einem Paukenschlag zurück ins Gedächtnis. Sieglinde, jene Frau, die er vor einem Vierteljahr in jener netten Runde in jener fränkischen Kleinstadt kennen gelernt hatte, war seine damalige erste heftige Liebe, die zu erleben und sie, die 13-Jährige, zu sehen, ihn, den 13-Jährigen, so aufgewühlt und verwirrt hatte, dass er mit rotem Kopf stets Reißaus genommen hatte.
Epilog
Jetzt ist er 50 Jahre älter als damals. Das gibt ihm Hoffnung, dass er beim nächsten Wiedersehen mit seiner ersten Liebe nicht wieder mit rotem Kopf das Weite suchen wird!
Nachtrag – Ende 2009
Nein, er hat nicht das Weite gesucht! Sie sagte zu ihm: „Ich habe das alles nicht gemerkt, weißt Du, damals hatte ich nur mein Pferd im Kopf!“