Themen:



Lyricus

„Viele Leute betrachten die poetische
Literatur als eine Art Irrenhaus,
worin sie alles sagen dürfen, was ihnen
anderwärts die Zwangsjacke zuziehen
würde.“

Hebbel
Tagebuch, 1. X. 1849


Veröffentlichtes

„Lyrik. Schreibmaschinentypen & sonst nichts“, Slavik-Verlag Marzoll bei Bad Reichenhall 1972

„Auf der Suche nach einem abgeschlossenen Raum. Lyrik/Kurzprosa“, team-buch Gelsenkirchen 1978

„Überall ist Patagonien“, Kurzprosa, drei Bände, als Manuskript gedruckt, Dorsten 2002

„Heute mich, morgen dich. Eine Geschichte mit Scherenschnitten“, als Manuskript gedruckt Nürnberg/Dorsten 2007

Lyrikveröffentlichungen in Literatur-Zeitschriften, Anthologien, Zeitungen und Rundfunkanstalten: „Stimmen“ (Basel); „Wegwarten“ (Hannover); „Pages“ (Gelsenkirchen); „Blätter für Lyrik und Kurzprosa“, (St. Georgen/Österreich), Feuilletons „Rothenburger Anzeiger“, „Nürnberger Nachrichten“, Deutschlandfunk Köln, „Litfass“ (Berlin), „Tödliche Euphorien“ (Rheinach, Schweiz) u. v. a.

Veröffentlichtes

Kritiken

„Seine Texte sprechen mich an, vermitteln (...), sie machen mich hellhörig (...). Sie verpflichten den Autor, seinen Weg fortzusetzen. Sicherlich wird man noch von ihm hören (...).“

„Seine Gedanken zeigen ihn als einen, dem die Sprache, das Handhaben von Worten leicht zu Gebote steht. Er greift mit seinen Gedichten nicht nach den hohen Regalen der kryptischen, der magischen, der intensiv-bildkräftigen Lyrik eines Trakl, Celan, einer Lavant, eines Malarmé (...). Aber es fehlt in seinen Gedichten auch jener zeitkritische pamphlethafte Ton eines jungen Enzensbergers ebenso wie der bare Unmut eines Erich Fried (...). Stegemann bekennt sich nicht zu jener Lyrik, die das Gedicht als Schwarzes Brett zeitkritischer Anklage versteht, als Austragsort ideologischer Proklamation und Diskussion. Seine Lyrik bekennt sich zum Prinzip des Spiels, zum Prinzip des gezielten Spiels (...).“

„Die Leser seiner thematisch sehr vielschichtigen Verse fühlt sich in eine eigentümliche Welt versetzt: Da ist die Rede von einem bunten Hund, der sich auf den Kirchturm setzt, von Schaufensterpuppen, die sich unter die Passanten mischen. Man wäre versucht, wirklich eine flüchtige Traumwelt zu konstatieren, würde der bunte Hund nicht kleine Kinder fressen, wäre da nicht der alte Mann, der auf seine Schuhe spuckt, während seine Hände ein Brötchen teilen, gäbe es da nicht, die immer wiederkehrende Frau aus Vietnam – jung mit alten Augen‘ (...). Stegmanns Gedichte zerplatzen wie ,Seifenblasenträume‘; sie weichen einer Realität, in der es elektrische Zäune und die Gleichgültigkeit der Fassaden gibt, in der man, eines Tages ausgeschaltet‘ wird (...). An den Schluss dieses bemerkenswerten Lyrikbändchens hat der Autor das Gedicht ,der claqueur‘ gesetzt. Für diese Verse benötigt er keinen Claqueur (...).“

„(...) Stegemanns Verse sind nicht spielerisch, lässig oder gar leicht und heiter dahingesagt, sie werden von schwermütiger Hoffnungslosigkeit regiert, von einer Tristesse, die nicht emotional, sondern rational wirkt (...) ein bemerkenswerter Autor.“

„(...) Stellt ein Gedichtband wie derjenige des in der Bundesrepublik lebenden Wolf Stegemann einen ausgesprochenen Glücksfall dar. Die Gedichte sind zu einem überwiegenden Teil in der Mitte zwischen reiner Wortdichtung und assoziativem Text angesiedelt, wobei hervorzuheben ist, dass insbesondere die Dichte des Ausdrucks und die saubere Linienführung bestechen (...).“


Lyrik

der tagtraum

ich sah einen mann
durch die stadt gehen
sah ein flugzeug auf
seinem kopf landen
sah wie sich die hochhäuser
einander zuwinkten
und begriff dass ein ganz kleines wort
durch ein nadelloch schlüpfen kann
zwei tage später auf der rolltreppe
eines kaufhauses
stürzt
ein flackerndes rot
von einem komma gestoppt
die schaufensterpuppen geben ihr ewiges lächeln auf
und springen durch die scheiben
und mischen sich unter die passanten
während der nachmittag sich zögernd
ins meer wirft


worte

es gibt worte
worte die da sind
silbenwörter
schlangenworte ohne namen
lautmalerei der geschichte
absichtlich gesetzte zeichen
von jemand
den wir nicht kennen
ein kleines vergilbtes buch
in der tasche
ein ja
in wirklichkeit
ein langgestrecktes nein
das nicht der fantasie
eines irren entspringt
die alten fassungslosen gesichter
im rahmen
gehören genauso dazu
wie der staub auf den stühlen
du hast dich nicht verändert
sagen die stühle


machtlosigkeit

ich fühle mich ausgeliefert
den spinnen und drachen
den vielfüßigen
und schleimäugigen
und stampfenden Apparaten
den gesetzen
den elektrischen zäunen
und raunenden winden
den gesichtslosen affen
den masken
dem karneval der leiber
den fruchtlosen puppen
den stummen spiegeln
den machtlosen augen
und fühle mich ausgeliefert
den geifernden weibern
den gespaltenen zungen
den unwissenden feuerwerkern


ich

ich verhalte mich abweichend
ich untersuche nicht
ich bin nicht logisch
ich bin kein analytiker
ich bin unbegabt
erkenne nicht das nahe liegende
gebe keine erklärungen ab
schreibe keine gedichte
sage nicht einmal ist keinmal
weiß nicht was materie ist
weiß nur dass ich hintendran bin
habe keine beiträge geschrieben
bin zurzeit nicht auf reisen
höre mir keine erklärungen an
verhalte mich abweichend
stelle die leistungsfähigkeit
der gesellschaft nicht in frage
weiß nicht was analyse ist
muss feststellen
dass das instrumentarium meines geistes
wenn es darauf ankommt
kläglich versagt
weiß vor allem nicht
was klassenkampf ist
dass ich schreibe kommt zwar vor
wenn auch selten
gestatte mir im rahmen des erlaubten
festzustellen
dass man mich eines tages ausschalten wird


der autor

ich pflanze meine sprachkristalle
in satzbaulandschaften
ich evakuiere die worte
und strebe die vereinigung der superlative an
ich hopse auf dem trampolin der sätze
und mache mich lustig
über die sprache
und beweine sie
ich trage die sprache
auf den flohmarkt
und liefere sie gleichzeitig
einem bestattungsinstitut
zur verbrennung aus


im garten

der spätzug bleibt in meinem garten
die passanten stürmen die abteile
fordern zur weiterfahrt auf
der zugführer weigert sich


die sprache

ich spreche mit meinem Mund
die sprache der sprechenden
die nichtsprechenden sprechen nicht
sie können nicht sprechen
sie können nicht
weil sie in der bewegung verharren
sprechen bedeutet sich bewegen
bedeutet sich fortbewegen
nicht sprechen bedeutet stehen bleiben
bedeutet verharren
der sprecher bewegt sich
der nichtsprecher bleibt stehen
das gesicht des sprechenden gleicht einer
landschaft
das gesicht des nichtsprechenden ist tot
unsere gesellschaft teilt sich auf
in sprechende
und nichtsprechende


die zeitung

nimm eine zeitung
zeitungen lügen nicht
und papier ist nicht geduldig
nimm sie
und schlage sie auf
oder stecke sie
gut sichtbar in die tasche
denke an schröder
der nichts mehr zu sagen hat
ein trotzkopf
sicheres zeichen
wenn aus dem mann ein kind wird
das die fäuste ballt und sich löffel
vor die augen hält
de mortius nil nisi bene
die nackten brüste der frauen
sie langweilen
enthüllte form reizt nicht
sie enttäuscht
die immer wiederkehrende frau
aus afrika
jung mit alten augen
viel zu oft gesehen
um dich zu erschüttern
der kaffee
der cognac
deine heile welt


das lachen

das lachen geht durch das land
aber auch die wut
die Häuser
die menschen und die tiere
nehmen die farbe und bewegung
des lachens oder der wut an


das porträt

sie trug ein spitzenkleid
trug ein lächeln zur schau
einen ring an jedem finger
spitz waren ihre worte
schwarz ihr kleid
trug mit sich herum den duft
der großen weiten welt
ein tag war für sie ein tag
lächeln
matinee
einen anderen hätte sie haben können
doch sie hatte ringe
glitzernde pflaster
an und für sich war sie zufrieden
jedem das seine
nur manchmal
wünschte sie
eine blume zu sein


der krieg

auf einem bild bin ich dem krieg begegnet
der krieg sprach mich an
er sagte
pack mich in eine schachtel
ich tat es
da lachte der krieg
ich verschnürte die schachtel
der krieg lachte noch mehr
er lachte tränen
ich nahm die schachtel
und warf sie aus dem fenster
da lachte der krieg nicht mehr
er rief nur
hoho
und noch einmal
hoho
und zerriss die schachtel
und stieg wieder ins bild


das gelächter

das gelächter klopft an
ich öffne
ich frage was gibt’s
das gelächter steht da
verbeugt sich
und geht wieder hinaus


das land stirbt

sprich die alten worte
der nimmermond weint
er bewegt sich so leise
dass keiner ihn hört
das land stirbt
sagen die leute
und nicken
der mond lacht
tizian malt karl v man sagt
karl v war weise
ich weiß es nicht
was berichtet wird über ihn
ich lese es

aber es interessiert mich nicht
tizian malte ihn
gewiss
aber
was hat tizian über ihn gewusst
hat er ihn erkannt
mit dem herzen
oder mit dem pinsel
ich kenne karl v nicht
in münchen bin ich
an ihm vorbei gegangen


sprache der bilder

was uns an einem bild auffällt
ist die sprache der bilder
ist die farbe
die landschaft
sprache die existiert
in ein paar strichen
flecken
tupfen


a la braque

ich bevorzuge schwarze kannen
knoblauchgemüse
und schollen
alles das
eingewickelt in helles linnen
und zitronengrünes sandpapier
in wirklichkeit aber
bevorzuge ich braune kannen
verabscheue knoblauch
und ziehe den hering der scholle vor
überhaupt ist viel zu wenig
über den hering geschrieben worden
trotzdem
wenn braque eine schwarze kanne malt
einen knoblauch
und eine scholle auf einer schale aus lila
was soll man dagegen sagen


verharrung

es entsteht
es baut sich auf
es ist da
es geht
es ist bewegung
die bewegung verharrt


der narr

halbe worte im mund
von nichts sagender gestik unterstrichen
so stellt er sich
dem publikum
und wird
begeistert gefeiert


bewegungen

jedes spiel besteht aus
übereinander gelegten gesichtern
aus der sprache der bewegung
aus der bewegung der sprache
aus de sprache des körpers
aus dem körper der sprache
aus dem raum
in dem bewegung stattfindet
aus dem raum in der sprache
aus dem raum in der bewegung
aus dem verhältnis des spielens zu raum
bewegung
sprachkörper
besteht aus der bewegung des körpers
aus dem körper der bewegung
die den raum füllende sprache


die stunden

ich kehre zurück
du sagst
lange hast du gebraucht
ich sage
wer die tage zählt
dem laufen die uhren langsame
du sagst
nimm mein gesicht
und zähle die stunden


die antwort

ich habe die vögel befragt
die nachts meine träume kreuzen
die vögel flogen weiter
ich habe die mauern befragt
die meinen weg säumen
die mauern schwiegen
ich habe die masken befragt
die die straßen füllen
die masken grinsten
ich habe die menschen befragt
ich habe ihre antworten vergessen


erinnerungen

später verstand ich seine sprache
verstand ich seine leeren gesten
ich blieb zurück
seine antworten weckten mich aus meinen
träumen
sprach ich
erinnerte ich mich seiner sprache
verstand ich eigentlich
was um mich herum geschah
ich stieg hinab
versuchte meine kindheit zu entlarven
seine augen lagen auf meinen händen
leise doch beharrlich
drang seine stimme durch mein kartenhaus
gesten
bereits vergessen
ließen mich jetzt formen erkennen
wo ich vorher schatten sah
ich blieb nicht mehr zurück
ich stieg nicht mehr hinab
ich sah
zurück blieb ein seifenblasentraum
der langsam zerplatzte


im winter

ich will dir ein zeichen setzen
mitten im winter
wenn die sprache weh tut
die leute mürrisch die straßen kreuzen
und die wolken über den türmen dunkeln
du weißt
dass der abend lang ist
ich trinke so gern kaffee
auf der straße hält ein auto
unter scheinbaren gesten
die aufforderung
draußen
die dunklen fenster
ein regentropfen klatscht
die schweigenden augen der passanten
die gleichgültigkeit der fassaden
machen mich hoffnungslos


der trommler

meine nachbarn sagen
ich sei ein trommler
das stimmt
sage ich
meine freunde meinen
ich sei ein spieler
das stimmt sage ich
ich gehe unter die aussteller
mein name geht niemand etwas an
auf keinen fall bin ich der
für den man mich hält


meine stadt

dies ist meine stadt
von einem vogel bewacht
von träumen belagert
trägt sie schwer an ihrer vergangenheit
die menschen in ihr
eine vergessene sprache sprechend
ähneln puppen
die an fäden im winde baumeln
bald hier hin
bald dort hin


rothenburg
2. fassung

rothenburg ob der tauber
was ist hier zu holen
eine stunde sünde
ein hohler stein
oder ein apfel vom baum
der trug sitzt hinter den scheiben
und im spiegel
siehst du dein gesicht
das verwelkt
hitler war hier
und vorher die kaiser
nach dem krieg
amerikaner und japaner
dazwischen wurde wieder errichtet
was hochmut zerstörte
wenn der tag zerbricht
stehen die träume auf
und lachen
in den straßen schläft die stille ein
ihr gesicht klebt an den wänden
was gibt es in rothenburg
ein märchen
dem man den eintritt verweigert


rothenburg danach

die zerbrochene stadt ist tot
unter ihren wolken schlafen tauben
die füße eingezogen
vergessen sie ihren standort


der claquer

die rede
eine nichts sagende
zusammensetzung
von sätzen
deren wörter
aus buchstaben
des alphabets
gebildet sind
bleibt im papier
der claqueur
so sagt man
sei gegangen


monotonie der tage

die tage gleichen einem katzenbuckel
ich weiß nur nicht warum
ich sage nur so
nur so und so
und weiß nicht mal warum


vogelspuren

vogelspuren
barfüßige
im schnee
schritte
runen
des hungers


die masken

unter der weißen schminke des tages
des glänzenden abends
der schweigenden nacht
sitzt das schwarze antlitz der angst
im dämmern bemalen wir uns
um uns im morgengrauen
vor uns selbst zu fürchten
wir fürchten das dunkel
und auch die sonne
unter der schminke des tages
des glitzernden abends
der schweigenden nacht
sitzt das schwarze antlitz der angst


lebensspiel

ich bin ein teil von einem spiel
ein großer hupf
ein kleiner hupf
einmal nach rechts
einmal nach links
und manchmal auch verkehrt


der himmel

das ist der himmel
sagt man
doch sehe ich vor mir
zwei wolken
die sonne dazwischen
triff mein gesicht
langsam öffnet es sich
und trinkt
das licht
das ist der himmel
sagt man


mutter

hier sagtest du
oder dort
zeigefinger
mochte ich nie
niemand sah
was du sahst
die dinge wiesen auf dich zurück


mittag
mit buntem hund

der bunte hund ist da
er irrt durch die straßen
er frisst die kleinen Kinder
wirft ihr spielzeug
in die regentonnen
setzt sich auf den kirchturm
was sagen die häuser
durch deren türen
geschrei auf die straße dringt
die straßen verknoten sich
ein alter mann sitzt
auf einer bank
spuckt auf seine schuhe
und lacht
während sein linkes auge
einer spinne folgt
und seine hände
ein brötchen teilen
so ist diese zeit denkt er
und spuckt noch einmal
auf seine schuhe


wohnung

ich wohne in einem milchhaus
gegenüber dem wäldchen
an jedem morgen kriechen
licht und der tag in mein zimmer
ein trauminsekt
fliegenähnlich
mit raubsüchtigem schnabel
als maler, das licht im rücken
male ich trotzig die stille
empfindsam lege ich
mein ungeschriebenes gedicht
auf die windstille
ungeschrieben schwebt es davon


anpassung

ich habe mit den wölfen geheult
mit den löwen gebrüllt
mit den lämmern geblökt
als ich versuchte
mit meiner katze zu schnurren
stand sie auf und ging weg


alte schule

ein schlüsselloch voll sonne
auf den nackten
und kalten boden
der tatsachen geworfen
was will man mehr verlangen


glorifiziertes nichts

man sieht nicht das nichts
und auch nicht
was dann kommt
es gibt nichts
um das nichts zu sehen
es kommt eine zeit
sagt man
da bin ich nicht mehr
bin gegangen
vom nichts zum nichts
denn ich bin nichts
und wenn ich nicht nichts wäre
was wär ich dann


einsamkeit

vor der einsamkeit
schützt keine tür
sie klopft nicht
sie dringt durch die ritzen
verbindet sich mit kalten neonlicht
du fröstelst
am tisch
im bett
und denkst
an früher, an später
aber nicht
dass alles leben
ein nichts ist
eine zeit zwischen nichts und nichts
vor der einsamkeit schützt keine tür


typen im blitzlicht

der schlaflose multipliziert die ereignisse
der geduldige ist gut zu sich selbst
den fantasievollen quälen die möglichkeiten
der pedant präzisiert seine fehler
der zuverlässige steht über seinem interesse
der unschuldige ist oft nur erlebnisarm
der primitive findet sich stets in gesellschaft
der weltmann bewegt sich abgerundet
der satte parvenü lobt die kunst
leisetreter bekämpfen sich schwebend
der schüchterne leidet darunter
dass er sich seiner kunst nicht rühmen kann
der tenor verlegt die erogenen zonen in die kehle
der wichtigtuer tritt aus ungeduld in die pfütze


aufbruch

seinen noch nicht dagewesenen nervenzusammenbruch einüben
den staub vergangener liebesbeziehungen wegblasen
die taumelnde stille zum gerinnen bringen
das leben in ein passepartout zwängen
dann seine dröhnende einsamkeit schultern
und nach neuen windhäusern suchen


nur schreiben können

leise über das papier ausgelegte worte
heimlich hinter der hand aus den gedanken gekramt
selbst verwirrt sein über das
was in einem geschieht
weglaufen wollen vor sich selbst
oder sich selbst vertilgen
aber auch darin keine hilfe sehen
sondern nur schreiben können
sonst nichts


ungeduld

zwänge deine ungeduld
in das korsett der notwendigkeit
nimm all deine wut und all deinen hass
und konstruiert dir daraus die waffe
die du brauchst
um zu bekämpfen
was dich stört


bildermaler

mein freund malt bilder
große
kleine
bunte
graue
er legt den menschen in die bilder
große
kleine
bunte
graue
er bringt bewegung in die bilder
große
kleine
bunte
graue
er seziert die bilder
und rahmt sie mit latten
die er auf dem schulhof findet


fragmentarisches

ich schicke die tauben aus
die unter meinem dach wohnen
die tauben kehren nicht zurück


aus zerbrochenen worten
hastig einen satz bauen
ununterbrochen
zwischen aufgestülpten gedanken herumirren
die übermächtig wachsen
und mich ersticken
wenn sie nicht in worte umgesetzt werden


zwischen den zeilen
hin und her taumeln
immer wieder die gleichen worte
in sich herumdenken
und dann alles aus sich herausstoßen
sein eignes schweigen
dadurch zu verbergen suchen
die stille nicht ertragen können
und deshalb immer wieder reden müssen


endlich alle worte abschütteln
sich das gehirn schreibend leer schaufeln
die gedanken verrosten lassen
und anfangen
die bedeutung dahinter
ohne verletzungen herausschälen
und sich nur noch mit ihnen beschäftigen


an bildern aufgehängte worte
in die wirklichkeit häkeln
den schatten davon für das echte halten
und deshalb auch nur der eigene schatten sein


die sprache der bilder
die sprache der verhängten bilder
die sprache der lebenden bilder
die sprache der toten bilder


das wort
eine zusammensetzung
aus buchstaben
des aphabets
findet nicht statt